Ein Offener Brief der Elternvertretung der Regine-Hildebrand-Grundschule macht das Ausmaß der Gewalt im Schulalltag deutlich. Kinder gehen mit Angst zur Schule, Eltern fühlen sich hilflos – und die bisherigen Maßnahmen reichen nicht mehr aus.
Die Botschaft des Offenen Briefs
Der Offene Brief beschreibt eine Realität, die viele Familien täglich erleben: Kinder haben Angst vor Mitschülergruppen, Wegen rund um das Gelände oder davor, sich im Unterricht zu äußern. Einige weigern sich, allein zur Schule zu gehen. Andere werden aus dem Hort abgemeldet, weil die Eltern sie nicht mehr für sicher halten.
Die Eltern schreiben, sie könnten ihren Kindern nicht mehr vermitteln, dass Schule ein geschützter Ort sei. Für viele sei der morgendliche Weg inzwischen belastender als der Unterricht selbst.
Wenn Gewalt den Tag bestimmt
Die geschilderten Vorfälle reichen von körperlichen Angriffen mit schweren Verletzungen bis hin zu Reizgas, das auf dem Schulhof versprüht wurde. Kinder berichten von Drohungen, von Erpressungen und von der Angst, etwas zu sagen. Andere erzählen, dass Freundinnen und Freunde suspendierter Schüler auf dem Schulhof aufgetaucht seien und Aggressionen weitergetragen hätten.
Diese Vorfälle stehen nicht für Einzelfälle, sondern für eine Entwicklung, die sich über Monate hinweg verfestigt hat.
Belasteter Unterricht und fehlende Lernzeit
Der Brief macht deutlich, dass sich die ständigen Vorfälle massiv auf den Unterricht auswirken. Lehrkräfte verbringen einen erheblichen Teil ihrer Zeit damit, Konflikte zu lösen, Vorfälle zu besprechen und verängstigte Kinder zu stabilisieren.
Für viele Schülerinnen und Schüler bedeutet das: Weniger Lernzeit, wachsende Lernlücken und das Gefühl, in einer Atmosphäre zu sitzen, in der Bildung kaum möglich ist. Besonders betroffen sind Kinder mit ohnehin schwierigen Ausgangsbedingungen oder geringen Deutschkenntnissen.
Sprachhürden als zusätzlicher Druck
Mit rund 40 Prozent Kindern mit Migrationshintergrund und einem großen Anteil ohne deutsche Staatsangehörigkeit gehört die RGH zu den vielfältigsten Schulen der Stadt. Viele Kinder sprechen bei Schuleintritt kaum Deutsch.
Der Offene Brief beschreibt, wie Sprachbarrieren Missverständnisse, Konflikte und Unsicherheiten verstärken – und wie wenig der politisch formulierte Anspruch auf frühzeitige Sprachförderung in der Realität ankommt. Die Eltern betonen, dass Schulen wie die RGH mehr strukturelle Unterstützung benötigen, um dieser Herausforderung gerecht zu werden
Die Schule kämpft – aber sie kämpft allein
Die Eltern loben ausdrücklich das Engagement der Schule. Schulsozialarbeit, Gespräche, enge Zusammenarbeit mit Polizei und Jugendamt, ein Sicherheitsdienst, ein Gewaltpräventionskonzept – all das sei da. Und all das helfe, aber eben nur begrenzt.
Kurzzeitig habe es sogar eine leichte Entspannung gegeben. Doch dieser Effekt hielt nicht an. Der Offene Brief formuliert es klar: Die Schule kämpft, aber sie kann diese Herausforderungen nicht allein schultern.
Die Forderung nach politischer Verantwortung
Die Eltern wünschen sich mehr Sicherheit, mehr Personal, klare Strukturen bei Ordnungsmaßnahmen und verlässliche politische Unterstützung. Vor allem erwarten sie, dass öffentlich geäußerte Ziele endlich in der Schule ankommen.
Die Eltern laden Politik und Verantwortliche für den 19. Januar 2026 zur nächsten Elternsprecherkonferenz ein. Für sie wäre eine Teilnahme ein sichtbares Zeichen, dass die Sorgen der Kinder ernst genommen werden. Bislang hat die Stadt weder auf die Einladung noch auf die Anfrage von Radio Cottbus reagiert. Doch angesichts der Brisanz gilt der Offene Brief der Eltern als deutliches Signal: Die aktuelle Situation ist ein Kipppunkt – nicht nur für die Schule, sondern für den gesamten Stadtteil.
Den ganzen offenen Brief gibt es hier zum Nachlesen:
Sicherheit und Lernbedingungen an der Regine-Hildebrand-Grundschule: Bitte um konkrete Maßnahmen und Einladung zur Elternsprecherkonferenz am 19.01.2026
Sehr geehrte Damen und Herren,
im Namen der Elternschaft der Regine-Hildebrand-Grundschule (RGH) wende ich mich mit großem Respekt und mit dem sehr persönlichen Blick einer Mutter an Sie. Gleichzeitig schreibe ich mit tiefer Sorge und mit einer klaren Erwartung an die Verantwortlichen in unserer Stadt. Die Situation an unserer Schule hat sich in den vergangenen Monaten so zugespitzt, dass die RGH ihren gesetzlichen Auftrag, Kinder psychisch und physisch zu schützen und Bildung in einem angemessenen Rahmen zu ermöglichen, ohne eine deutlich stärkere Unterstützung des Schulträgers nicht mehr erfüllen kann.
Viele unserer Kinder gehen inzwischen mit großer Angst und typischen Symptomen wie Bauchschmerzen in die Schule, erzählen von Angst vor bestimmten Wegen, vor einzelnen Gruppen von Mitschülern und davor, etwas zu sagen und dafür bestraft zu werden. Immer mehr Kinder möchten nicht mehr allein zur Schule gehen oder den Heimweg antreten, sondern wollen von uns gebracht und wieder abgeholt werden, weil sie sich allein nicht sicher fühlen.
Einige Eltern melden ihre Kinder aus Angst sogar vom Hort ab oder die Kinder verweigern eine Hortbetreuung. Als Eltern stehen wir morgens an der Tür, sehen die Unsicherheit in den Augen unserer Kinder und sollen ihnen gleichzeitig vermitteln, dass Schule ein sicherer Ort ist. Im
Moment können wir dieses Versprechen nicht mehr guten Gewissens geben.
Ich bin seit über fünf Jahren Elternsprecherin an der RGH. In dieser Zeit habe ich viele Herausforderungen erlebt, aber noch nie eine Situation, in der so deutlich wird, dass Schule mit ihren eigenen Mitteln an Grenzen stößt, die sie ohne politische Entscheidungen nicht überwinden kann. Genau aus diesem Grund schreibe ich Ihnen heut, im Namen der gesamten Elternvertretung.
Die Regine-Hildebrand-Grundschule im Überblick
Die RGH ist eine große Grundschule im Stadtteil Sachsendorf mit derzeit ca. 464 Schülerinnen und Schülern. Nach der aktuellen schulischen Auswertung besitzen über 40 Prozent der Kinder einen Migrationshintergrund und über 38 Prozent haben keine deutsche Staatsangehörigkeit.
Das bedeutet konkret: Rund 200 Kinder wachsen in Familien mit Migrationsgeschichte auf, etwa 180 Kinder haben keinen deutschen Pass. Die RGH ist damit eine die am stärksten kulturellen und sprachlich heterogenen Grundschulen der Stadt. Diese Vielfalt kann eine große Chance sein, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. In der aktuellen Lage führt sie jedoch zu einer Überforderung der vorhandenen Strukturen. Für unsere Kinder bedeutet das, dass sie in einer Umgebung lernen müssen, die ihnen viel abverlangt und die sie allein nicht tragen können. Die RGH ist, um es mit den Worten des Oberbürgermeisters aufzugreifen, ein "bunter Mix" sehr unterschiedlicher Herkunftsgeschichten. Genau dieser Mix braucht aus unserer Sicht stabile Rahmenbedingungen und zusätzliche Unterstützung, damit er für die Kinder eine Chance bleibt und nicht zur Überforderung wird.
Konkrete Vorfälle - Realität an der RGH
In den vergangenen Monaten kam es an der RGH zu einer Reihe dokumentierter Vorfälle, die genau das „Massive“, von dem Stadt und Land in ihren öffentlichen Stellungnahmen sprechen, bereits im Grundschulalter sichtbar machen. Unter anderem:
- Ein Kind wurde derart heftig angegriffen, dass Rippenprellungen und eine Gehirnerschütterung diagnostiziert wurden.
- Es wurde Reizgas versprüht. Mehrere Kinder hatten gesundheitliche Beschwerden und mussten teilweise medizinisch betreut werden, die Polizei wurde eingeschaltet
- Es kam wiederholt zu Schlägen, Tritten und Stürzen, deren Folgen ärztlich behandelt werden mussten.
- Kinder wurden bedroht mit Aussagen, sinngemäß: „Wenn du etwas sagst, bekommst du Schläge.“
- Freunde bereits suspendierter Kinder haben gezielt andere Kinder angegriffen. Angriffe auf Kinder werden also zum Teil als Reaktion auf schulische Maßnahmen und elterliche Interventionen verlagert.
- Kinder berichten von Erpressungen und massiven Beleidigungen, die weit über das hinausgehen, was man unter kindlichen „Rangeleien“ verstehen könnte.
- Zivilcourage wird mit Androhung und Durchführung von Gewalt bestraft
Hinter jedem dieser Punkte steht ein Kind mit Schmerzen, Angst und oft auch Scham. Es fällt uns schwer, diese Beispiele überhaupt aufzuschreiben, weil wir wissen, wie sehr sie die betroffenen Kinder und ihre Familien belasten. Viele von uns hören abends Sätze wie: „Ich will da nicht mehr hin“ oder „Bitte lass mich morgen krank sein“. Das ist kein normales Grundschulleben mehr.
Diese Beispiele stehen nicht für Einzelfälle, sondern für eine Entwicklung, die sich über Monate hinweg verfestigt hat. Viele Kinder äußern, dass sie Angst vor bestimmten Mitschülergruppen, vor bestimmten Wegen oder Orten auf dem Schulgelände haben. Einige möchten die Schule ohne Begleitung durch Erwachsene gar nicht mehr betreten.
Auswirkungen auf Lernen und Unterricht
Die Folgen für den Unterricht und die Lernentwicklung sind gravierend. Unsere Kinder erleben im Alltag, dass ein erheblicher Teil der Unterrichtszeit nicht für den eigentlichen Bildungsauftrag genutzt werden kann, sondern für:
- die Aufarbeitung von Vorfällen,
- Deeskalation in der Klasse,
- Gespräche mit betroffenen Kindern und Eltern,
- die Stabilisierung verängstigter oder aufgebrachter Schülerinnen und Schüler,
- das Wiederherstellen einer minimalen Lernatmosphäre.
Diese Arbeit ist pädagogisch notwendig und verantwortungsvoll. Wir sehen und wertschätzen jeden Tag, wie sehr sich die Lehrkräfte bemühen, unseren Kindern gerecht zu werden und ihnen trotz allem Halt zu geben. Gleichzeitig hat dies zur Konsequenz, dass der Unterrichtsstoff nicht vollständig vermittelt werden kann. Lernzeit geht verloren. Besonders betroffen sind Kinder, die ohnehin schon durch Sprachbarrieren oder schwierige familiäre
Rahmenbedingungen benachteiligt sind. Damit verschieben sich Lernlücken von Woche zu Woche weiter in die Zukunft.
Lehrerinnen und Lehrer sind aus Überzeugung in ihren Beruf gegangen, um Kinder zu unterrichten, zu begleiten und zu stärken. Heute verbringen sie jedoch einen immer größeren Teil ihrer Zeit mit Dokumentation, Verwaltung und der Bearbeitung von Krisensituationen. Lehrer sollen Schülerinnen und Schüler unterrichten und nicht verwalten. Genau das wünschen wir uns als Eltern für unsere Kinder.
Viele Mütter und Väter fragen mich inzwischen, ob ihre Kinder hier noch eine faire Chance auf gute Bildung haben oder ob sie schon in der Grundschule abgehängt werden.
In der Summe bedeutet dies: Die RGH kämpft nicht nur mit Gewaltvorfällen, sondern auch mit einer schleichenden Aushöhlung ihres Bildungsauftrags.
Sprachbarrieren und kulturelle Herausforderungen
Die RGH ist eine Schule mit einem hohen Anteil an Kindern, die bei Schuleintritt kaum oder gar kein Deutsch sprechen. Die Zahlen sind bekannt, sie stehen in den eigenen schulischen Statistiken und spiegeln sich im Alltag wider. Sprachbarrieren führen zu:
- Missverständnissen im Unterricht,
- Konflikten auf dem Schulhof,
- Unklarheit darüber, was Regeln bedeuten,
- fehlender Möglichkeit für Kinder, Konflikte verbal zu klären,
- eingeschränkter Einbindung von Eltern in Schulprozesse, wenn diese selbst nur eingeschränkt Deutsch sprechen.
Die MBJS-Pressemitteilung vom 15.09.2025 bestätigt genau diesen Zusammenhang: Kinder sollen bereits vor der Einschulung ausreichend Deutsch sprechen können, Sprachkenntnisse werden als entscheidender Schlüssel für Teilhabe und Schulerfolg benannt. Frühere und verpflichtende Sprachstandsfeststellungen und gezielte Förderung werden als Ziel beschrieben.
Oberbürgermeister Tobias Schick betont in diesem Zusammenhang sinngemäß, dass ausreichende Deutschkenntnisse der Schlüssel dafür seien, dass kein Kind und keine Familie benachteiligt wird und dass genau dies auch vielen gut integrierten Menschen mit Migrationshintergrund wichtig ist.
An der RGH erleben wir täglich, was passiert, wenn diese Ziele zwar politisch formuliert, aber praktisch nicht ausreichend hinterlegt werden: Kinder mit unzureichenden Sprachkenntnissen landen gebündelt an wenigen Schulen, ohne dass diese Schulen zusätzliche, passende Ressourcen erhalten. Die RGH ist eine dieser Schulen. Hinzu kommen in Teilen patriarchale Strukturen in einzelnen Familien, die in der täglichen Arbeit sichtbar werden:
- autoritäre Rollenvorstellungen für Jungen,
- untergeordnete Rollen für Mädchen,
- Legitimierung körperlicher und verbaler Konfliktlösung,
- erschwerte Kooperation mit Eltern, wenn schulische Erwartungen und familiäre Normen weit auseinanderliegen.
Die Schule versucht, dem pädagogisch zu begegnen. Ohne Verstärkung aus Schulträger, Schulamt und Landesebene kann sie diese tief verwurzelten Muster allein nicht verändern. Engagement der Schule - und seine Grenzen Die RGH handelt. Sie beschönigt nichts und arbeitet eng mit allen beteiligten Stellen zusammen. Unter anderen:
- kontinuierlicher Austausch mit der Schulsozialarbeit,
- Zusammenarbeit mit Polizei und Jugendamt,
- Anwendung der im Schulgesetz vorgesehenen Ordnungsmaßnahmen,
- Erarbeitung eines Gewaltpräventionskonzeptes,
- Beschluss der Schulkonferenz am 06.10.2025, einen Sicherheitsdienst weiter einzusetzen und diesen zu verstetigen.
Die ersten Maßnahmen zeigten kurzzeitig eine leichte Entspannung. Es gab Tage, an denen der Schulhof ruhiger war und Kinder sich sicherer fühlten. Viele Kinder haben uns Eltern erzählt, dass ihnen allein die sichtbare Präsenz von Sicherheitskräften geholfen hat, sich nicht mehr ganz so ausgeliefert zu fühlen.
Doch: Auch wenn die Einführung des Sicherheitsdienstes und anderer Maßnahmen zunächst zu einer geringfügigen Beruhigung im Schulalltag führte, war dieser Effekt nicht nachhaltig. Nach wenigen Wochen verpuffte die Wirkung nahezu vollständig, und es kam erneut zu einer Häufung schwerwiegender Vorfälle. Dies belegt, dass die eingeleiteten Maßnahmen in Umfang und Ausgestaltung nicht ausreichend sind, um einer Schule mit der besonderen Belastungslage der RGH dauerhaft Sicherheit zu geben.
Ein kurzfristiger Effekt ist nicht das Ziel. Wir brauchen keine Momentaufnahmen, sondern nachhaltige Lösungen, die mehr als nur wenige Wochen tragen. Die Gründe dafür sind strukturell:
- Der Sicherheitsdienst ist personell zu knapp ausgestattet, um auf einem großen, komplexen Gelände an allen kritischen Stellen präsent zu sein.
- Die rechtlichen Vorgaben setzten die Eingriffsschwelle so hoch, dass Sicherheitskräfte in vielen Situationen, in denen sich Kinder bereits bedroht fühlen, gar nicht oder nur sehr eingeschränkt handeln dürfen.
- Die Schulsozialarbeit ist engagiert, aber deutlich überlastet. Der Bedarf an muttersprachlicher sozialpädagogischer Unterstützung wird von allen Seiten anerkannt, ist aber in der RGH real nicht abgebildet.
- Ordnungsmaßnahmen nach Schulgesetz greifen ohne enge, abgestimmte Begleitung durch Jugendamt und Schulaufsicht nur begrenzt.
Die Schule kann unter diesen Umständen nicht mehr leisten, als sie bereits tut. Wir möchten ausdrücklich festhalten, dass sich unser Schreiben nicht gegen die Schulleitung oder die Lehrkräfte richtet, sondern für sie und vor allem für unsere Kinder.
Rechtliche Grundlage und Kinderrechte
Das Brandenburgische Schulgesetz ist an dieser Stelle eindeutig:
- § 4 Absatz 3 BbgSchulG garantiert den Schutz der körperlichen und seelischen
Unversehrtheit von Schülerinnen und Schülern.
- §§ 63 und 64 BbgSchulG regeln Ordnungsmaßnahmen bei Verstößen und
Gefährdungen.
- § 62 Absatz 8 die Überweisung in eine andere Schule, die Entlassung von einer Schule oder Verweisung von allen Schulen aufgrund einer Ordnungsmaßnahme
Diese Normen gelten nicht nur im Prinzip, sondern für jedes einzelne Kind an der RGH.
Wenn Gewalt, Drohungen, Erpressungen und Angst zum Schulalltag gehören und Unterricht systematisch von der Aufarbeitung dieser Vorfälle überlagert wird, dann ist offensichtlich, dass dieses Recht an der RGH faktisch nicht mehr in dem Maße gewährleistet wird, wie es das Gesetz fordert.
Für mich als Mutter berührt es sehr, wenn Kinderrechte auf dem Papier klar formuliert sind, im Alltag unserer Kinder aber nicht spürbar werden. Die Schule allein kann diese Lücke nicht schließen.
Damit wird das aus dem Schulgesetz folgende Schutzgebot zu einem Auftrag an den Schulträger und an die Stadtpolitik.
Wir wissen, dass sich Politik bei schulischen Problemen häufig auf bestehende Gesetze und Zuständigkeiten beruft. Gleichzeitig sind es genau die politischen Gremien, die diese Gesetze beschließen und sie bei Bedarf ändern können. In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche rechtliche Regelungen zum Teil sehr schnell angepasst, wenn der politische Wille dazu vorhanden war.
Aus Sicht der Elternschaft darf der Hinweis auf das geltende Recht daher nicht das Ende der Diskussion sein. Er muss der Ausgangspunkt für eine ehrliche Prüfung sein, ob die gesetzlichen Rahmenbedingungen noch geeignet sind, unsere Kinder wirksam zu schützen und Schulen in besonders belasteten Stadtteilen ausreichend zu stärken.
Wir bitten Sie ausdrücklich, sich in dieser Frage nicht hinter der Aussage „Die Rechtslage lässt es nicht zu“ zu verstecken. Recht ist kein Naturgesetz, sondern veränderbar, wenn sich eine demokratische Mehrheit dazu entschließt. In anderen Politikfeldern wurden in den vergangenen
Jahren in sehr kurzer Zeit weitreichende Änderungen beschlossen, wenn sie dem politischen Weltbild und den gesetzten Prioritäten entsprachen. Unsere Kinder dürfen hier keine geringere Priorität haben!
Wenn die bestehenden Regelungen nicht ausreichen, erwarten wir, dass die verantwortlichen politischen Ebenen auf kommunaler wie auf Landesebene die notwendigen Änderungen aktiv anstoßen.
Was Stadt und Land öffentlich sagen - und was an der RGH ankommt
In der Sicherheitskonferenz in Cottbus und in der MBJS-Pressemitteilung vom 15.09.2025 sowie in der Pressekonferenz vom 19.08.2025 wurden mehrere wichtige Punkte betont:
- Gewalt an Schulen sei zu lange unterschätzt und teils schöngeredet worden.
- Man habe zu spät und zu wenig abgestimmt reagiert.
- Sprachkenntnisse seien zentraler Schlüssel für Teilhabe und Schulerfolg.
- Lehrkräfte müssten entlastet und gestärkt werden.
- Besonders belastete Schulen sollten gezielt zusätzliche Unterstützung erhalten.
Oberbürgermeister Tobias Schick sagte sinngemäß, man brauche keine Verweise mehr darauf, was nicht gehe, und keine Wortklauberei um Quoten, sondern konkrete Abmachungen, wie man ein bereits erkanntes Problem endlich angehe.
Genau diese Situation liegt an der RGH vor: Das Problem ist erkannt. Es ist dokumentiert. Es ist im politischen Raum beschrieben worden.
Es ist weder neu noch überraschend. An vielen Stellen der Stadt und des Landes ist darüber gesprochen worden. Was jedoch fehlt, sind an unserer Schule:
- die konkret vereinbarten und umgesetzten zusätzlichen Ressourcen,
- die strukturelle Entlastung,
- die verlässliche Stärkung der Schulsozialarbeit,
- eine spürbare Verbesserung der Sicherheitslage,
- und der Schutz der Lernzeit.
Damit entsteht ein Widerspruch zwischen den öffentlich formulierten Zielen und der erlebten Realität an unserer Grundschule. Unsere Kinder spüren diesen Widerspruch sehr deutlich.
Die RGH als Kipppunkt im Stadtteil - was unten nicht gelöst wird, kommt oben an
Die RGH kann nicht isoliert betrachtet werden. Sie steht in einem direkten Zusammenhang mit den weiterführenden Schulen im Stadtteil, insbesondere der Sachsendorfer Oberschule.
Was Kinder in der Grundschule an Mustern mitnehmen, im Umgang mit Konflikten, mit Autorität, mit Geschlechterrollen, mit Sprache, verschwindet nicht beim Wechsel in die siebte Klasse. Es verstetigt sich. Wenn in der Grundschule:
- Gewalt als wirksames Mittel erlebt und nicht wirkungsvoll begrenzt wird,
- demokratische Konfliktkultur nicht konsequent eingeübt werden kann,
- Unterricht wegen ständiger Aufarbeitung von Vorfällen ausfällt,
- Sprachförderung nicht in dem Umfang stattfindet, wie sie nötig wäre, dann entsteht zwangsläufig später an den weiterführenden Schulen eine Situation, die mit deutlich höherem Aufwand und unter größerem gesellschaftlichem Druck bearbeitet werden muss.
Wir müssen unten etwas erreichen, damit sich oben etwas ändert.
Die Elternschaft ist sich bewusst, dass Gewalt und Kriminalität im Jugendalter ein gesamtgesellschaftliches Problem darstellen, wie es auch das MBJS beschreibt. Entscheidend ist aber: Die frühesten Weichen werden in den Klassen 1 bis 6 gestellt. Wenn wir die RGH als Grundschule im Stadtteil nicht deutlich stärken, zahlen später die weiterführenden Schulen, die Jugendhilfe, die Justiz, die Polizei und letztlich die gesamte Stadt einen hohen Preis.
Bewertung der bisherigen Maßnahmen - Wirkung verpufft
Die Stadt betont in der MBJS-Pressemitteilung, die im Sommer eingeleiteten Konsequenzen hätten bereits Wirkung gezeigt und ein störungsfreier Start ins neue Schuljahr sei gelungen.
Für die RGH gilt dies ausdrücklich nicht in nachhaltiger Weise.
An unserer Schule war kurzfristig eine leichte Beruhigung spürbar, vor allem durch die bloße Präsenz eines Sicherheitsdienstes und die erhöhte Aufmerksamkeit aller Beteiligten. Doch dieser Effekt hielt nur kurz. Nach wenigen Wochen kam es wieder zu einer Häufung
schwerwiegender Vorfälle.
Es wurde gehandelt, aber nicht in dem Umfang und mit der Intensität, die für eine Grundschule mit der Belastungslage der RGH erforderlich wäre. Die Wirkung der Maßnahmen ist dadurch weitgehend verpufft.
Gerade weil an anderen Schulen erkennbar Verbesserungen eingetreten sind, zeigt der Verlauf an der RGH, dass unsere Schule zu den Einrichtungen gehört, für die die Standardmaßnahmen nicht ausreichen. Hier braucht es deutlich mehr.
Unsere Forderungen an die Stadtverordnetenversammlung
Vor diesem Hintergrund bittet die Elternschaft der RGH die Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung um folgende konkrete Schritte.
Wir fordern alle Fraktionen ausdrücklich auf, in dieser Frage fraktionsübergreifend an einem Strang zu ziehen und den Schutz der Kinder an derRGH als gemeinsame Aufgabe zu begreifen:
1. Verstärkung und Verstetigung des Sicherheitsdienstes an der RGH
- ausreichende und personelle Ausstattung,
- verlässliche Präsenz während der gesamten Kernunterrichtszeit,
- konzeptionelle Anbindung an schulische Abläufe.
2. Ein verbindliches Maßnahmenpaket zur konsequenten Umsetzung von Ordnungsmaßnahmen
- abgestimmte Verfahren mit Jugendamt, Schulamt und Polizei,
- klare und nachvollziehbare Abläufe bei wiederholt auftretender Gewalt,
- effektiver Schutz betroffener Kinder,
- Vereinfachung der Dokumentations- und Meldewege mit dem klaren Ziel, dass Lehrkräfte wieder mehr Zeit für Unterricht und Beziehungsgestaltung haben als für Verwaltung.
3. Deutlicher Ausbau der Schulsozialarbeit an der RGH
- zusätzliche sozialpädagogische Fachkräfte,
- Einsatz muttersprachlicher Kräfte für besonders betroffene Gruppen,
- verlässliche, nicht nur projektbezogene Finanzierung.
4. Politische Rückendeckung für Lehrkräfte und Schulleitung bei konsequentem Handeln
- klare öffentliche Botschaft der Stadt, dass Lehrkräfte und Schulleitung unterstützt werden, wenn sie Kinder konsequent vor Gewalt schützen,
- Schutz vor einer Beschwerdekultur, die konsequentes pädagogisches Eingreifen
delegitimiert,
- Stärkung der Schulen in Konfliktsituationen mit Eltern, wenn diese Maßnahmen zum Schutz anderer Kinder infrage stellen.
5. Berücksichtigung der besonderen Belastungslage der RGH in allen schulpolitischen Fragen
- bei Ressourcenverteilung,
- bei Zuweisungen und Einzugsbereichen,
- bei der Planung zusätzlicher Förderangebote.
6. Keine weitere Ankündigungspolitik und Beschwichtigungen
Die Elternschaft der Regine-Hildebrand-Grundschule sagt dies mit allem Respekt, aber in
großer Klarheit:
Wir haben keine Kraft mehr für Ankündigungspolitik oder Beschwichtigungen.
Wir wissen, dass viele Gespräche geführt wurden. Wir wissen, dass runde Tische stattgefunden haben. Wir wissen, dass viel geprüft und beraten wurde.
Doch die Lage an der RGH spricht eine andere Sprache. Während wir Protokolle lesen und Pressemitteilungen hören, erleben unsere Kinder auf dem Schulhof etwas ganz anderes.
Wir erwarten daher:
- konkrete Beschlüsse,
- klar benannte Verantwortlichkeiten,
- verbindliche Zeitpläne,
- überprüfbare Umsetzung.
Wir sagen das nicht, um Schuldige zu suchen oder mit dem Finger auf einzelne Personen zu zeigen. Wir sagen es, weil wir die Verantwortung für unsere Kinder im Herzen tragen und ihnen nicht erklären können, warum sie weiter Angst haben müssen, obwohl alle Verantwortlichen das Problem längst kennen.
Wir werden die Entwicklung aufmerksam verfolgen und gegenüber der Elternschaft transparent machen, welche Schritte erfolgt sind und welche nicht.
Bitte um Rückmeldung und Einladung zur Elternsprecherkonferenz
Zudem laden wir Sie hiermit herzlich zur nächsten Sitzung der Elternsprecherkonferenz der Regine-Hildebrand-Grundschule ein und bitten Sie darum, uns bis spätestens 23. Dezember 2025 per E-Mail mitzuteilen, ob und durch wen Sie an dieser Sitzung teilnehmen werden, damit wir Ihre Rückmeldung in unsere geplante außerordentliche Elternsprecherkonferenz im Januar einbeziehen können.
Datum: Donnerstag, 19. Januar 2026
Uhrzeit: 17.00 Uhr
Ort: Aula, Haus B, Regine-Hildebrand-Grundschule
Theodor-Storm-Straße 22, 03050 Cottbus
Ihre Teilnahme wäre ein wichtiges Zeichen für die Kinder, Eltern und Mitarbeitenden unserer Schule, dass die Situation der RGH von der Stadtpolitik ernst genommen wird und dass die in der Öffentlichkeit formulierten Absichten nun in konkrete Maßnahmen für unsere Schule
übergehen.
Unsere Kinder haben nur diese eine Grundschulzeit. Sie ist kurz und prägt ein ganzes Leben.
Wir wünschen uns von Herzen, dass sie an der Regine-Hildebrand-Grundschule wieder von
Sicherheit, Vertrauen und echter Lernfreude geprägt sein kann.
Mit freundlichen Grüßen
Christin Wulf
Im Namen der Elternschaft der Regine-Hildebrand-Grundschule Cottbus
























